Fotografieren ist meine Leidenschaft. Ich liebe es. Ich bin manchmal besessen davon. Ich weiß: Es ist anstrengend, stressig, aufregend, aber es macht so viel Spaß.
Und wenn man dann dieses Morgenrot oder jenes Nordlicht bekommen hat – ein Traum.
Doch Fotografieren wurde die letzten Jahre fast ein Ding der Unmöglichkeit. Grund war die Krankheit ME/CFS, die ich nach einem Virusinfekt im Jahr 2009 entwickelt hatte und die sich von Jahr zu
Jahr verschlimmerte. Weitere Syndrome gesellten sich dazu. Ich wurde immer schwächer, erschöpfter, bekam Schmerzen aller Art, Verdauungsprobleme. Die Liste der Symptome war lang.
Ich musste mich mehr und mehr einschränken. Verzichtete auf quasi alles, um noch arbeiten zu können. Arbeiten und Schlafen. Das war mein Leben. Auch geliebte Hobbies wie das Bergsteigen musste
ich an den Nagel hängen, sogar Spaziergänge. Und auch Fotografieren war so furchtbar anstrengend, dass ich immer seltener mit der Kamera unterwegs war. Probierte ich es doch mal, bezahlte ich das
oft mit tagelanger Zustandsverschlechterung. Es war der Horror.
Solange man gesund ist und normal funktioniert, macht man sich keine Gedanken darüber, was wäre, wenn das plötzlich nicht mehr ginge. So verhielt auch ich mich. Als ich dann da lag, hatte ich
viel Zeit zum Nachdenken. Dann beginnt man sich Fragen zu stellen: Wer bin ich eigentlich? Was ist mir wirklich wichtig? Welches Leben möchte ich? Was, wenn mein Zustand so bleibt? Wie kann ich
mich anpassen? Wie kann ich trotzdem Freude empfinden, das Beste daraus machen? Was kann ich tun, um mir meine Leidenschaften irgendwie zu erhalten?
So kaufte ich mir eine leichtere Ausrüstung, packte so wenig wie möglich ein, manchmal nur eine Kamera und ein Objektiv und ein winziges Stativ. Ich fuhr verbotene
Straßen und Wege, um so nah wie möglich ans Motiv zu gelangen. Überlegte mir Erklärungen, falls mich andere Menschen deswegen beschimpften.
Ich nahm immer einen kleinen Hocker mit, einen Gehstock und Stützstrümpfe gegen die allgemeine Schwäche und die plötzlichen Schwächeanfälle während des Gehens. Kamera und Objektiv umhängen,
Grauverlauffilter in die Jackentasche, Stativ als Gehhilfe für die linke Seite, Gehstock als Unterstützung für die rechte Seite. So wankte ich los. Schon winzige Bodendellen, eine Stufe, ein paar
Schritte bergab, endeten oft in einem Sturz. Das Aufstehen war ein Graus. Ich brauchte oft mehrere Anläufe. Die Kamera blieb zum Glück heil.
Aber ich erhielt mir eine Leidenschaft. Ein Stück Leben. Und wenn es nur dreimal im Jahr war. Das ist so wichtig. Man darf nicht aufgeben. Eine Krankheit darf nicht das Leben diktieren. Man muss
sie integrieren. Und trotzdem sein Leben leben. So gut es eben geht. Und natürlich alles daran setzen, wieder gesund zu werden – oder zumindest gesünder.
Nach 15 schlimmen Jahren ist es mir
gelungen, mich weitgehend von meinen Syndromen zu erholen. Schwach bin ich immer noch. Der Gehstock ist als Nothelfer dabei, wenn ich den Fotorucksack, die Drohne und das Stativ trage. Aber
es geht wieder deutlich besser! Keine Zustandsverschlechterung mehr! Ich baue Muskeln auf. Ich bin wieder viel belastbarer. Und zumindest im Tal und mit der Drohne kann ich wieder etwas
fotografieren. Ein Traum! Und irgendwann wird mir auch wieder eine kleine Bergtour gelingen. Und danach irgendwann auch zum Sonnenaufgang mit Fotoausrüstung – so wie früher.